Was ist Reframing und woher kommt es?
Reframing bedeutet, eine Situation oder ein Erlebnis aus einer neuen Perspektive zu betrachten. In der klassischen Psychotherapie stammt dieser Ansatz aus mehreren Richtungen:
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Kognitive Verhaltenstherapie (Aaron T. Beck, 1960er): Neubewertung belastender Gedanken durch alternative Sichtweisen. (Beck, A.T., 1979, „Cognitive Therapy of Depression“)
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Systemische Therapie (Virginia Satir, Steve de Shazer): Bedeutungsgebung in sozialen Kontexten verändern. (Satir, V., 1983, „Conjoint Family Therapy“)
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Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP, Bandler & Grinder, 1975): Bewusstes Umdeuten von Erlebtem zur Veränderung von Denkmustern. (Bandler, R. & Grinder, J., 1975, „The Structure of Magic“)
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Traumasensible Therapie (Laurence Heller, Peter Levine, Bessel van der Kolk): Sicherheit als Basis für jede Neubewertung. (Van der Kolk, B., 2014, „The Body Keeps the Score“)
Warum ist Reframing in der Traumatherapie anders?
Ein klassisches Reframing kann sich für Trauma-Überlebende entwertend oder übergriffig anfühlen, wenn es zu früh oder unsensibel angewandt wird. In der Traumatherapie geht es nicht darum, ein Erlebnis „positiv“ umzudeuten, sondern sanft neue Bedeutungsräume zu eröffnen, die Selbstmitgefühl und Würde stärken. (Rothschild, B., 2000, „The Body Remembers“)
Unterschiede zwischen klassischem und traumasensitivem Reframing:
Klassisches Reframing | Traumasensitives Reframing |
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„Schau es doch mal anders!“ | „Welche Bedeutung fühlt sich für dich stimmig an?“ |
Ziel: Schnell eine neue Perspektive finden | Ziel: Sicherheit, Selbstmitgefühl, langsames Annähern |
Gefahr: Überforderung oder Entwertung | Würdigt Überlebensstrategien und individuelle Prozesse |
Behutsame Reframing-Ansätze in der Traumatherapie
1️⃣ Reframing von Überlebensstrategien
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Statt „Ich bin schwach, weil ich mich oft zurückziehe“ → „Dein Rückzug war eine kluge Strategie, um dich zu schützen. Jetzt darfst du schauen, ob du sie heute noch genauso brauchst.“ (Heller, L., 2012, „Healing Developmental Trauma“)
2️⃣ Reframing von Schuld- und Schamgefühlen
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Statt „Ich hätte mich mehr wehren müssen“ → „Du hast in dieser Situation genau das getan, was dein Körper für sicher gehalten hat.“ (Levine, P., 1997, „Waking the Tiger“)
3️⃣ Reframing von Ohnmachtserfahrungen
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Statt „Ich war völlig hilflos“ → „Damals hattest du vielleicht keine Wahl, aber heute kannst du beginnen, deine eigene Kraft wiederzufinden.“ (Ogden, P., 2006, „Trauma and the Body“)
Die integrale Sichtweise auf Reframing
Die Integrale Theorie (Ken Wilber) betrachtet menschliche Erfahrungen in verschiedenen Ebenen:
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Individuell – Innen (Erleben, Gedanken, Emotionen) → Wie erlebst du eine Situation?
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Individuell – Außen (Körper, Verhalten) → Wie reagiert dein Körper darauf?
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Kollektiv – Innen (Kulturelle Bedeutungen, Narrative) → Welche kollektiven Muster gibt es?
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Kollektiv – Außen (Gesellschaft, Systeme) → Welche äußeren Einflüsse prägen deine Sicht?
Reframing kann auf jeder dieser Ebenen stattfinden:
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Innere Arbeit: Neue Selbstbilder entwickeln („Ich bin mehr als mein Trauma“).
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Körperliche Arbeit: Neue Erfahrungen von Sicherheit ermöglichen.
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Soziale Arbeit: Neue Narrative und Bedeutungen in Gemeinschaften schaffen.
(Wilber, K., 2000, „Integral Psychology“)
Kreativ-therapeutische Anwendung von Reframing
Kreative Methoden können Reframing erfahrbar machen, ohne dass es rein kognitiv bleibt:
🎨 Bildgestützte Methoden:
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Male zwei Bilder: Eins, wie du eine Situation siehst, eins, wie sie sich auch anfühlen könnte.
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Nutze Collagen oder Symbolarbeit zur Bedeutungsfindung.
🎭 Rollenarbeit:
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Stelle belastende Szenen mit Figuren nach und finde sanfte Veränderungen.
📝 Schreiben und Sprache:
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Schreibe belastende Gedanken auf und formuliere sie in einer sanften Sprache um.
(Malchiodi, C., 2012, „Trauma and Expressive Arts Therapy“)
Fazit: Reframing mit Feingefühl
Reframing in der Traumatherapie bedeutet nicht, das Trauma schönzureden, sondern in kleinen, sicheren Schritten neue Sichtweisen auf sich selbst und die eigene Stärke zu ermöglichen. Es würdigt Überlebensstrategien und erö

traumasensitive Anwendung
ffnet Wege zur Selbstermächtigung – immer in dem Tempo, das sich für die Klient:in stimmig anfühlt.
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